Kritik Berner Zeitung:
War es vorsätzlicher Mord, oder bestehen begründete Zweifel: In der Rechtsprechung der Schweiz und der benachbarten Länder kommt heute kein Richtergremium an dieser Frage vorbei, auch wenn die Todesstrafe abgeschafft wurde. Bleiben erklärbare und begründbare Zweifel bestehen, ist dies zugunsten des Beschuldigten auszulegen.
Doch wie können Geschworene – also Laienrichter – rechtlich relevante Zweifel erkennen, wie finden sie zu einem Urteil, und wieweit sollen sie dem professionellen Richter folgen? Mit diesem Thema hat sich der Amerikaner Reginald Rose bereits in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts auseinandergesetzt. Von ihm stammt das Skript zum Film «Die zwölf Geschworenen». Dabei geht es ihm mehr als nur um die Frage, ob Hinrichtungen verantwortbar sind. Er zeigt ebenso die Dynamik von Gruppenprozessen und das Rollenverhalten von Einzelnen auf.
Die Bühne in der Mitte
Diese Gruppendynamik hat Regisseur Piet Baumgartner in der aktuellen Inszenierung gekonnt herausgearbeitet. Einzig der Geschworene Nummer 8, gespielt von Adrian Hossmann, hat den Mut zu hinterfragen. Indem er Eigenverantwortung zeigt, wird er zum Spielverderber. Die Gründe, wieso die Einzelnen lieber nicht über den Fall sprechen wollen, sind jedoch vielschichtig. Nummer 10, gespielt von Beatrice Held, hält sich lieber an Vorurteile.
«Ich kenne solches Lumpenpack, das sind alles Lügner, und die sind zu allem fähig», sagt sie über den Beschuldigten. Damit ist ihre Meinungsbildung abgeschlossen. Und Nummer 7, gespielt von Rahel Frey, ist in ihrer sorglosen Ignoranz kaum zu ertragen. An der Premiere mutierte sie nach kurzer Zeit zur Buhfrau des Publikums. Dies spricht für die schauspielerische Leistung von Frey.
Die Inszenierung der Theaterleute aus Ittigen lebt auch von einer Verlegung der Bühne in die Mitte des Publikums. Die Besucherinnen und Besucher werden Teil des Spiels. Dies war deutlich spürbar. So wurde halblaut darüber diskutiert, wie ein Stellmesser bei einem Angriff gehalten werde und ob man der aufsässigen Nummer 3, gespielt von Käthi Schaffer-Gutknecht, nicht einfach ein Redeverbot erteilen könnte.
Das Theater Ittigen hat nach einigen eher abstrakten Inszenierungen ein heikles Thema in Szene gesetzt. Das Premierenpublikum dankte es den Schauspielern mit einer Standing Ovation. Gefreut hat dies insbesondere Regisseur Piet Baumgartner. Er habe zeigen wollen, dass die Demokratie auf dem Prüfstand stehe und der Populismus überhandnehme. Offenbar sei diese Botschaft beim Publikum angekommen.
Bühnenbildentstehung in den Werkstätten des Konzert Theater Bern
fertiges Bühnenbild ( Fumoir und Konferenztisch) in der Aula Rain in Ittigen