Wie entstand Ihr Berufswunsch? Den Beruf des Möbelschreiners wählte ich nach einem Berufspraktikum in der 10. Klasse. Die kreative Arbeit mit dem Werkstoff Holz begeisterte mich sofort. Um den künstlerischen Schwerpunkt der Rudolf-Steiner-Schule weiterzuziehen, entschied ich mich, lehrbegleitend die gestalterische Berufsmatur zu absolvieren. Diese bot mir neben dem Künstlerischen auch das Hintergrundwissen über Theatergeschichte, Kunst und Kultur, was ich sonst im Berufskundeunterricht der Lehre vermisst hätte. Denn bereits als Schüler stand ich selbst gerne auf der Bühne. Da die Lehrwerkstätten in der Nähe der Theaterwerkstatt liegen, konnte ich ab und zu einen Blick in die grosse Montagehalle werfen. Nach dem Zivildienst reichte ich eine Blindbewerbung beim Stadttheater Bern (heute Bühnen Bern) ein und wurde eingestellt – das Glück wollte es, dass eine frei gewordene Stelle noch nicht ausgeschrieben war. Welches sind Ihre wichtigsten Aufgaben? In unserer Werkstatt entstehen Bühnenbildteile wie Wände, Möbel, Fenster, Tische, Böden, Türen, Treppen, Decken, Türme, Wagen, Fahrzeuge oder Stützkonstruktionen. Wir arbeiten Hand in Hand mit Schlosserei und Malsaal zusammen, welche sich in den gleichen Räumlichkeiten befinden. Ich verschraube Holzteile, tackere Sperrholz oder dünne Holzplatten mit der Luftdruckpistole auf Unterkonstruktionen, verleime Rahmen und bringe Sondermaterialien auf Wände oder Boden auf. Auch der Zuschnitt von Latten und Platten sowie Oberfräsarbeiten mit Handmaschinen und der Zuschnitt auf der Zuschnittfräse gehören zu meinen Arbeiten. Ausserdem verbinde ich Holzelemente mittels Leim, Tacker, Nägeln, Schrauben oder Lamello und bringe Verbindungsbeschläge wie Theaterscharniere, Hängeeisen und Augenschrauben an. Was war Ihr schwierigster Auftrag? Schon zu Beginn meiner Laufbahn durfte ich einen runden Brunnen herstellen, der auf einer Schräge stand und dessen obere Fläche einen anderen Winkel zum Boden haben sollte als die untere. Ein anderes Mal schnitt ich Sperrholzteile für eine Sputnikform zu. Alle Einzelteile mit sechs verschiedenen Schrägkanten mussten auf die Unterkonstruktion passen! Solch ausgefallene Objekte machen aber auch den besonderen Reiz meiner Arbeit aus. Bisweilen gibt es «Serienmurggs», wenn ich eine grössere Anzahl gerader Rahmen herstellen oder andere repetitive Aufgaben erfüllen muss. Manchmal wünsche ich mir auch mehr direkten Kontakt mit den Fachleuten des Bühnenbildes oder grössere Verantwortung für kleinere Produktionen. Was braucht es für Ihre Arbeit? Freude am Umgang mit dem Werkstoff Holz, ausserdem Sorgfalt, Flexibilität, Kreativität und Teamgeist sowie eine Ausbildung an Grossmaschinen und nicht zuletzt Sicherheitsbewusstsein. Zentral ist auch eine rasche Auffassungsgabe: Man muss Baupläne lesen können, «um die Ecke denken» und ein gutes Verständnis von Konstruktionen aller Art haben. Das Theatervirus ist kein Muss, erleichtert aber die Arbeit. Sie sind sehr vielseitig und auch als Schauspieler tätig, ausserdem sind Sie Familienvater. Meine Familie ist mir sehr wichtig, daher passe ich die Zeit für meine Hobbys ihren Bedürfnissen an. Meinen Sohn habe ich handwerklich wie schauspielerisch auch schon mit dem Theatervirus infiziert. Neben der Bewirtschaftung unseres grossen Obst- und Gemüsegartens bin ich unter anderem in der Elternarbeit der Rudolf-Steiner-Schule Oberaargau engagiert. Frei nach dem Motto «Ressourcenvermittlung auf und hinter der Bühne» sehe ich mich auch als Vermittler von Material, Personen und Adressen rund um die Theaterwelt. So sammle ich Materialreste aus der Werkstatt und Kulissenteile aus abgespielten Produktionen und gebe sie zu kleinen Preisen weiter. Die Anstellung bei Bühnen Bern ermöglicht mir diese vielen Freiheiten, daher ist die Theaterschreinerei nach wie vor mein Traumberuf. (le/gl) «